City Survey

Q4 2023

Kapitel 2Makroökonomisches Umfeld

2.1Hohe Unsicherheit bleibt; stärkere Wachstumsimpulse frühestens Ende 2024 zu erwarten

Nach einem Jahr als „Wachstumsschlusslicht“ der wichtigsten Industrienationen wird der Erholungsprozess der deutschen Wirtschaft 2024 vor allem von der Dynamik abhängen, mit der die Teuerungsraten nachgeben und die Erholung der Binnenkonjunktur erfolgt. Auf Unternehmensebene und unter Finanzmarktakteuren ist der Konjunkturausblick noch verhalten pessimistisch und lässt eine Aufhellung der Situation nicht vor dem 2. Halbjahr 2024 erwarten. Zurückhaltend ist wegen des schwachen Wachstums Chinas und dessen Bedeutung für die Weltkonjunktur auch der Ausblick für die exportorientierte Industrie. Der IWF erwartet 2024 ein globales Wachstum von 2,9 Prozent, das vor allem von Schwellenländern getragen wird. In Deutschland ist ein leichter Anstieg der Exporte wahrscheinlich, aufgrund ebenso steigender Importe wird der Außenhandel das BIP jedoch belasten. Der lange resiliente Dienstleistungssektor zeigt zum Jahreswechsel eine Abschwächung, während die ifo Prognose für 2024 insgesamt ein leichtes Wachstum aller Dienstleistungsbereiche vorhersagt. Consensus Economics erwartet für Deutschland für 2024 ein moderates BIP-Wachstum von 0,3 Prozent (Eurozone 0,5 Prozent), bei dem der private Konsum einen wesentlichen Beitrag zur Erholung leisten soll.

Die negative wirtschaftliche Entwicklung bremst die Flächennachfrage auf den Gewerbemärkten somit in den kommenden Monaten aus. Positiv zu bewerten ist der weiterhin sehr stabile Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote wird 2024 voraussichtlich nur geringfügig steigen. Die aktuellen Lohnabschlüsse führen bei sinkenden Inflationsraten zu einer positiven Reallohnentwicklung, die den privaten Konsum stützen wird und auch für den Wohnungsmarkt positive Effekte mit sich bringt.  

Wirtschaftswachstum und Inflationsentwicklung

(in Prozent z. Vj.)

Quellen: Oxford Economics (Dezember 2023), Colliers
Prognose ab Q4 2023

Während die EZB in der Vergangenheit auf wirtschaftliche Schwächephasen mit Zinssenkungen reagierte, zeigt sie seit geraumer Zeit eine konträre Zinsanhebungsstrategie zur Inflationsbekämpfung. In einem Negativszenario könnte die rezessive Phase dadurch noch verstärkt werden. Die Inflationsprognosen für 2024 sehen im Consensus für Deutschland 2,5 Prozent (Jan. 24), während die Inflation in der Eurozone bei 2,2 Prozent liegen soll. Ein Inflationsrückgang wird bei positiver Entwicklung des Arbeitsmarkts in Kaufkraftgewinnen und Reallohnanstiegen münden. Als Reaktion darauf erwarten wir, dass die EZB nach dem schnellsten und stärksten Zinserhöhungszyklus in der Euro-Geschichte im Jahresverlauf 2024 das Ende der restriktiven Geldpolitik einläutet und beginnt, die Leitzinsen allmählich abzusenken. Consensus erwartet bis Ende 2024 ein Leitzinsniveau von unter 4 Prozent.

Zinsentwicklung (in Prozent)

Quellen: Oxford Economics (Dezember 2023), Colliers
Prognose ab Q4 2023

Da mit Zinssenkungen durch die EZB nach aktuellem Stand nicht vor dem 2. Quartal 2024 zu rechnen ist, sollten die für die Finanzierungskosten maßgeblichen Swap-Rates diese Entwicklung vorwegnehmen. Im vierten Quartal 2023 war bereits ein deutlicher Rückgang der SWAP Rates zu beobachten, der sich 2024 fortsetzen sollte, wenn auch mit geringerer Geschwindigkeit. Der im Jahresverlauf negative Spread zwischen 5- und 10-jährigen Swap-Rates hat sich zuletzt geschlossen und wird sich im Jahresverlauf 2024 umkehren. Da in diesem Fall die Zinsen für längerfristige Finanzierungen wieder teurer als für kürzere Finanzierungen sind, bieten sich den Investoren wieder mehr Möglichkeiten, über die Finanzierungslaufzeiten ihre Finanzierungskosten zu optimieren. Trotz der erwarteten Entspannung erwarten wir in naher Zukunft keine Rückkehr zu den niedrigen und teils negativen Niveaus der Swap-Rates aus den Jahren 2020 und 2021.

Der Aufwärtsdruck auf die Anfangsrenditen bleibt in diesem Umfeld weiter bestehen. Der Risikoaufschlag für erstklassige Büroimmobilien in den Top 7 (ungewichtete Brutto-Spitzenrendite knapp 4,85 Prozent) lag Ende Q4 2023 bei rund 280 Basispunkten. Damit erscheinen Immobilieninvestments aktuell attraktiver als vor einem Quartal (Spread: 206 Basispunkte) und im Vorjahr (Spread: 166 Basispunkte). Eine weitere leichte Anpassung der Anfangsrenditen mit Anstiegen in Richtung 5,00 bis 5,25 Prozent erscheint im aktuellen Umfeld bis Q3 2024 wahrscheinlich. 

Anleihen- und Immobilienrenditen (in Prozent)

Quellen: Oxford Economics (Dezember 2023), Colliers
Prognose ab Q4 2023

2.2ESG: Die Standards der EU-Taxonomie sind vollständig, die Definition der Kreislaufwirtschaft steht fest.

Die Europäische Union hat bereits 2020 die EU-Taxonomie verabschiedet, zusammen mit den Technischen Standards (TSC) für die ersten zwei Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“. 

Nun sind am 21.11.2023 die Technischen Standards der verbliebenen vier Ziele, „Nachhaltigen Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen“, „Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft“, „Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung“ und „Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme“ verabschiedet worden. Diese Standards gelten ab dem 01. Januar 2024 für alle EU-Mitgliedsstaaten.

Während die ersten zwei Ziele alle Branchen gleichermaßen betreffen, sind die nun formulierten vier Verbliebenen nicht für alle Branchen gleichermaßen relevant. Für den Neubau und die Renovierung von existierenden Immobilien wurde das Primärziel „Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft“ definiert. Dennoch müssen auch die übrigen Umweltziele im Rahmen des „Do-Not-Significant-Harm“ (DNSH) berücksichtigt werden. 

Als Primärziel umfasst das Umweltziel „Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft“ die folgenden sechs Technischen Standards:

  1. Mindestens 90 % (Neubau) / 70 % (Renovierungen) der auf der Baustelle anfallenden nicht gefährlichen Bau- und Abbruchabfälle werden für die Wiederverwendung oder das Recycling vorbereitet, mit Ausnahme der Verfüllung. 
  2. Das Lebenszyklus-Treibhauspotenzial des Gebäudes (Neubau & Renovierung) wurde für jede Phase im Lebenszyklus berechnet und wird Investoren und Kunden auf Nachfrage offengelegt.
  3. Bauentwürfe und -techniken unterstützen die Kreislauffähigkeit durch die Integration von Entwurfskonzepten für die Anpassungsfähigkeit und den Rückbau.
  4. Bei Renovierungen müssen mindestens 50 % des ursprünglichen Gebäudes erhalten bleiben.
  5. Die Verwendung von Primärrohstoffen wird durch den Einsatz von Sekundärrohstoffen minimiert. Folgende Höchstmengen des verwendeten Primärrohstoffs müssen eingehalten werden: 
    • Beton, Naturwerkstein oder Agglomeratstein: < 70 % (Neubau) / < 85 % (Renovierung) 
    • Ziegeln, Fliesen und Keramik: < 70 % (Neubau) / < 85 % (Renovierung)
    • biobasiertem Kunststoff: < 80 % (Neubau) / < 90 % (Renovierung)
    • Glas und Dämmstoffen aus Mineralwolle: < 70 % (Neubau) / < 85 % (Renovierung) 
    • nicht biobasiertem Kunststoff: < 50 % (Neubau) / < 75 % (Renovierung)
    • Metall: < 30 % (Neubau) / < 65 % (Renovierung) 
    • Gips: < 65 % (Neubau) / < 83 % (Renovierung)

      Liegen keine Informationen über den Recycleanteil eines Bauprodukts vor, so ist davon auszugehen, dass dieses zu 100 % aus Primärrohstoffen besteht.  
  6. Der Betreiber der Tätigkeit verwendet elektronische Werkzeuge zur Beschreibung der Merkmale des Gebäudes in seiner erbauten Form, einschließlich der verwendeten Werkstoffe und Komponenten, für die Zwecke der künftigen Wartung, Rückgewinnung und Wiederverwendung. Die Informationen werden in digitaler Form gespeichert und Investoren und Kunden auf Anfrage zur Verfügung gestellt.

Auch bei diesem Umweltziel steht die Transparenz über die Informationen im Fokus, weshalb jegliche Erkenntnisse verschriftlich und auf Anfrage veröffentlicht werden müssen.

Die DNSH-Kriterien für das Primärziel „Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft“ sind vergleichbar mit den bereits existierenden Kriterien für die ersten zwei Ziele und werden daher hier nicht weiter diskutiert.

Diese hohen Anforderungen können auf Investoren und Eigentümer abschreckend wirken, weswegen die Wahl des Primärziels eventuell auf „Klimaschutz“ oder „Anpassung an den Klimawandel“ fällt. Jedoch müssen auch dann die DNSH-Kriterien berücksichtigt werden, welche die Verpflichtung beinhaltet, mindestens 70 % der allgemein anfallenden Bau- und Abbruchabfälle auf die Wiederverwertung, bzw. Recycling oder sonstige Verwertung vorzubereiten.

Mit dieser neuen Wertschätzung von Baustoffen ist mittelfristig mit einem Umdenken der Baubranche zu rechnen. Der steigende Bedarf, und damit Wert, von wiederverwertbaren Baustoffen sowie die bereits spürbare Knappheit an Primärrohstoffen, wird die Frage „Abriss oder Renovierung?“ nachhaltig verändern. Der heutige Baustandard, beispielsweise durch die Verwendung von Verbundstoffen, welche eine Wiederverwertung erschweren, kann die nun steigende Nachfrage nach diesen Materialien voraussichtlich nicht decken. Dies wird die Branche mittel- bis langfristig dazu drängen neue Baustandards zu setzen und die Wiederverwertung zu einer Selbstverständlichkeit zu machen.  

Kapitel 3 Vermietungsmarkt