City Survey

Q3 2024

Kapitel 2Makroökonomisches Umfeld

2.1Unsicherheit bleibt; Wachstumsimpulse frühestens Mitte 2025 zu erwarten

Die deutsche Volkswirtschaft kommt auch zu Beginn der zweiten Jahreshälfte nicht in Schwung. Im Gegenteil: die führenden Wirtschaftsinstitute haben ihre Wachstumsprognosen für das Jahr 2024 zuletzt weiter reduziert. Die aktuelle Consensus Prognose rechnet mit einer Stagnation, nur noch wenige Institute liegen mit ihren Prognosen leicht im Plus bei im Maximum 0,4 Prozent. Für 2025 wird weiterhin mit einer leichten Erholung gerechnet, die jedoch mit 0,8 Prozent (Consensus Prognose) ebenfalls schwächer ausfallen wird als bislang erwartet. Die Entwicklung des ifo Geschäftsklimaindex unterstreicht diese Prognoseanpassungen. Im September verzeichnete der Index den vierten Rückgang in Folge und notiert mit 85,4 Punkten auf dem Niveau des Jahresanfangs 2024.   

Die gedämpfte wirtschaftliche Entwicklung bremst die Flächennachfrage auf den Gewerbemärkten in den kommenden Monaten aus. Positiv zu bewerten ist der weiterhin der stabile Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote wird voraussichtlich nur geringfügig steigen, die rückläufigen Stellenausschreibungen sowie die stark gestiegenen Insolvenzzahlen zeigen jedoch die Risiken für den Arbeitsmarkt auf. Neben einem bremsenden Effekt auf die Flächennachfrage kann die erhöhte Unsicherheit auch zu einer verstärkten Konsumzurückhaltung führen und somit weiteren Gegenwind für die Wirtschaftsentwicklung erzeugen.

Wirtschaftswachstum und Inflationsentwicklung

(in Prozent z. Vj.)

Quellen: Oxford Economics (September 2024), Colliers
Prognose ab Q3 2024


Die Inflationsraten haben im Verlauf des dritten Quartals die 2 Prozentschwelle erreicht und unterschritten. Nach einer Verlangsamung auf 1,9 Prozent im August sank die Inflation im September erneut auf 1,6 Prozent. Die EZB hat auch den ersten Zinsschritt im Juni 2024 einen weiteren Zinsschritt im September folgen lassen. Im vierten Quartal erscheinen ein bis zwei weitere Zinsschritte möglich.

Zinsentwicklung (in Prozent)

Quellen: Oxford Economics (September 2024), Colliers
Prognose ab Q3 2024

Die langfristigen Zinsen in der Eurozone haben auf diese Entwicklung nur leicht reagiert. Seit Anfang Juli sind die 10-jährigen SWAP-Rates um 50 Basispunkte auf rund 2,4 Prozent gesunken. Die Renditen für 10-jährige deutsche Staatsanleihen zeigten eine vergleichbare Entwicklung und rentieren Anfang Oktober bei rund 2,25 Prozent. In der Prognose rechnet Oxford Economics mit einem stabilisierten Niveau leicht über den aktuellen Werten. Für den Immobilienmarkt ergeben sich aus dieser Situation zwar keine positiven Impulse durch deutlich sinkende Finanzierungskonditionen, jedoch eine bessere Planbarkeit bei geringerer Volatilität als noch im Jahresverlauf 2023.

Der Aufwärtsdruck auf die Anfangsrenditen bleibt in diesem Umfeld weiter bestehen, hat sich jedoch zuletzt etwas abgemildert. Der Risikoaufschlag für erstklassige Büroimmobilien in den Top 7 (ungewichtete Brutto-Spitzenrendite knapp 4,88 Prozent) liegt Ende Q3 2024 bei rund 260 Basispunkten. Damit erscheinen Immobilieninvestments aktuell attraktiver als im Vorjahr (Spread: 200 Basispunkte). Eine weitere leichte Anpassung der Anfangsrenditen mit Anstiegen in Richtung 5,00 erscheint im aktuellen Umfeld bis Jahresmitte 2025 möglich.

Anleihen- und Immobilienrenditen (in Prozent)

Quellen: Oxford Economics (September 2024), Colliers
Prognose ab Q3 2024

2.2ESG: Die Standards der EU-Taxonomie sind vollständig, die Definition der Kreislaufwirtschaft steht fest.

Die Europäische Union hat bereits 2020 die EU-Taxonomie verabschiedet, zusammen mit den Technischen Standards (TSC) für die ersten zwei Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“.

Nun sind am 21.11.2023 die Technischen Standards der verbliebenen vier Ziele, „Nachhaltigen Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen“, „Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft“, „Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung“ und „Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme“ verabschiedet worden. Diese Standards gelten ab dem 01. Januar 2024 für alle EU-Mitgliedsstaaten.

Während die ersten zwei Ziele alle Branchen gleichermaßen betrifft, sind die nun formulierten vier Verbliebenen nicht für alle Branchen gleichermaßen relevant. Für den Neubau und die Renovierung von existierenden Immobilien wurde das Primärziel „Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft“ definiert. Dennoch müssen auch die übrigen Umweltziele im Rahmen des „Do-Not-Significant-Harm“ (DNSH) berücksichtigt werden.

Als Primärziel umfasst das Umweltziel „Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft“ die folgenden sechs Technischen Standards:

  1. Mindestens 90 % (Neubau) / 70 % (Renovierungen) der auf der Baustelle anfallenden nicht gefährlichen Bau- und Abbruchabfälle werden für die Wiederverwendung oder das Recycling vorbereitet, mit Ausnahme der Verfüllung.
  2. Das Lebenszyklus-Treibhauspotenzial des Gebäudes (Neubau & Renovierung) wurde für jede Phase im Lebenszyklus berechnet und wird Investoren und Kunden auf Nachfrage offengelegt.
  3. Bauentwürfe und -techniken unterstützen die Kreislauffähigkeit durch die Integration von Entwurfskonzepten für die Anpassungsfähigkeit und den Rückbau.
  4. Bei Renovierungen müssen mindestens 50 % des ursprünglichen Gebäudes erhalten bleiben.
  5. Die Verwendung von Primärrohstoffen wird durch den Einsatz von Sekundärrohstoffen minimiert. Folgende Höchstmengen des verwendeten Primärrohstoffs müssen eingehalten werden: 
    • Beton, Naturwerkstein oder Agglomeratstein: < 70 % (Neubau) / < 85 % (Renovierung)
    • Ziegeln, Fliesen und Keramik: < 70 % (Neubau) / < 85 % (Renovierung)
    • biobasiertem Kunststoff: < 80 % (Neubau) / < 90 % (Renovierung)
    • Glas und Dämmstoffen aus Mineralwolle: < 70 % (Neubau) / < 85 % (Renovierung)
    • nicht biobasiertem Kunststoff: < 50 % (Neubau) / < 75 % (Renovierung)
    • Metall: < 30 % (Neubau) / < 65 % (Renovierung)
    • Gips: < 65 % (Neubau) / < 83 % (Renovierung) 

      Liegen keine Informationen über den Recycleanteil eines Bauprodukts vor, so ist davon auszugehen, dass dieses zu 100 % aus Primärrohstoffen besteht.
  6. Der Betreiber der Tätigkeit verwendet elektronische Werkzeuge zur Beschreibung der Merkmale des Gebäudes in seiner erbauten Form, einschließlich der verwendeten Werkstoffe und Komponenten, für die Zwecke der künftigen Wartung, Rückgewinnung und Wiederverwendung. Die Informationen werden in digitaler Form gespeichert und Investoren und Kunden auf Anfrage zur Verfügung gestellt.

Auch bei diesem Umweltziel steht die Transparenz über die Informationen im Fokus, weshalb jegliche Erkenntnisse verschriftlich und auf Anfrage veröffentlicht werden müssen.

Die DNSH-Kriterien für das Primärziel „Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft“ sind vergleichbar mit den bereits existierenden Kriterien für die ersten zwei Ziele und werden daher hier nicht weiter diskutiert.

Diese hohen Anforderungen können auf Investoren und Eigentümer abschreckend wirken, weswegen die Wahl des Primärziels eventuell auf „Klimaschutz“ oder „Anpassung an den Klimawandel“ fällt. Jedoch müssen auch dann die DNSH-Kriterien berücksichtigt werden, welche die Verpflichtung beinhaltet, mindestens 70 % der allgemein anfallenden Bau- und Abbruchabfälle auf die Wiederverwertung, bzw. Recycling oder sonstige Verwertung vorzubereiten.

Mit dieser neuen Wertschätzung von Baustoffen ist mittelfristig mit einem Umdenken der Baubranche zu rechnen. Der steigende Bedarf, und damit Wert, von wiederverwertbaren Baustoffen sowie die bereits spürbare Knappheit an Primärrohstoffen, wird die Frage „Abriss oder Renovierung?“ nachhaltig verändern. Der heutige Baustandard, beispielsweise durch die Verwendung von Verbundstoffen, welche eine Wiederverwertung erschweren, kann die nun steigende Nachfrage nach diesen Materialien voraussichtlich nicht decken. Dies wird die Branche mittel- bis langfristig dazu drängen neue Baustandards zu setzen und die Wiederverwertung zu einer Selbstverständlichkeit zu machen.  

Kapitel 3 Vermietungsmarkt